Jüdische Gemeinde Kleinsteinach, heute ein Ortsteil von Riedbach

1933 zählte die jüdische Gemeinde in Kleinsteinach 34 Personen. Die frühesten Spuren jüdischen Lebens reichen bis in das Spätmittelalter zurück, als 1453 zum ersten Mal der jüdische Friedhof erwähnt wird. Seit dem späten 16. Jahrhundert sind die Namen einzelner Schutzjuden in Kleinsteinach bekannt, wenig später ist eine Synagoge bezeugt. Zu dieser Zeit bestand die Gemeinde aus neun Haushalten, für die ein Lehrer und ein Totengräber tätig waren. Bis 1699 wuchs die Gemeinde auf 42 Personen, die im Schutz mehrerer Ortsherren standen. Ihren Status als frühes ländliches jüdisches Zentrum zeigt vor allem, dass mehrere Grabfelder Landesrabbiner mit ihren Jeschiwot in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts dort ihren Sitz hatten. Danach ging diese Funktion an Burgpreppach über, obwohl beide Gemeinden im 18. Jahrhundert deutlich wuchsen. Der Höchststand an Gemeindemitgliedern in Kleinsteinach wurde im Jahr 1817 mit 179 Personen erreicht. Diese Zahl nahm in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und besonders zu Beginn des 20. Jahrhunderts ab, bis im Jahr 1925 nur noch 45 jüdische Bewohner:innen in Kleinsteinach gezählt wurden.

Systematische Entrechtung, wirtschaftliche Boykotte und der wachsende Verfolgungsdruck veranlassten einen Großteil der jüdischen Bevölkerung ab 1936 zur Abwanderung aus Kleinsteinach. Zwischen 1936 und 1941 gelang 15 Gemeindemitgliedern die Flucht ins Ausland: in die USA (12), nach Großbritannien, Brasilien und Ecuador (je 1). Vier Personen zogen nach Würzburg, ein Ehepaar nach München, von denen eine Frau noch emigrieren konnte, drei starben und zwei deportiert wurden. Während der gewaltsamen Ausschreitungen im Novemberpogrom 1938 in Kleinsteinach wurden zwei Männer im Amtsgerichtsgefängnis Haßfurt festgesetzt, einer von ihnen für eine weitere Woche in Dachau inhaftiert. Anfang 1942 waren noch zehn jüdische Personen im Ort übrig, die im Laufe des Jahres deportiert wurden. Eine Frau starb nach dem erzwungenen Umzug der letzten sechs Gemeindemitglieder ins Sammelquartier in Schweinfurt im Juni 1942. Vier weitere Mitglieder der Gemeinde Kleinsteinach waren zwischen 1938 und 1940 in Kleinsteinach (1), München (2) oder Würzburg (1) verstorben.

Elf jüdische Bürger:innen aus Kleinsteinach wurden aus Unterfranken deportiert, fünf nach Krasniczyn im besetzten Polen und sechs ins Ghetto Theresienstadt. Zu ihnen gehörten ein Kind und eine Jugendliche. Niemand überlebte. Deportationen von auswärts sind nicht belegt. (Auf der verlinkten Seite werden mehrere Personen angezeigt, die 1933 nicht mehr in Kleinsteinach wohnten.)

Kleinsteinach beteiligt sich mit einem Rucksack am Projekt „DenkOrt Deportationen“. Der lokale Rucksack erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden des Ortes. Ein Duplikat befindet sich in Würzburg und bildet zusammen mit denen anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zum “DenkOrt” und zu den Deportationen. 

Angaben zum Standort des Rucksacks in Kleinsteinach folgen zu gegebener Zeit.

Ausführliche Informationen zur jüdischen Gemeinde Kleinsteinach
Quellen zu den Gemeindeartikeln

© Recherche und Text: Nathalie Jäger & Rotraud Ries

Shoa-Opfer, die 1933 in Kleinsteinach gelebt hatten

Emanuel Grünbaum (1874 – 1942)
Lina Grünbaum, geb. Blum (1874 – 1942)
Sofie Grünbaum, geb. Hoffmann (1871 – 1942)
Erich Neumann (1931 – 1942)
Irmgard Neumann (1924 – 1942)
Meta Neumann, geb. Grünbaum (1896 – 1942)
Moritz Neumann (1892 – 1942)
Klara Schloß, geb. Sommer (1872 – 1942)
Karoline Sichel, geb. Neumann (1854 – 1942)
Klara Sichel (1886 – 1942)
Jakob Wolfermann (1874 – 1942)