Jüdische Gemeinde Kleinwallstadt
Zu Beginn der NS-Zeit 1933 zählte die jüdische Gemeinde in Kleinwallstadt mindestens 45 Personen. Ihre Anfänge reichen bis in die 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück, bevor um 1700 sechs Schutzjuden in einer organisierten Gemeinde in Kleinwallstadt lebten. Mit gewissen Schwankungen blieb es auch im 18. Jahrhundert bei sechs steuerpflichtigen Haushalten.
Das 19. Jahrhundert sah zu Beginn und auch am Ende ein gewisses Wachstum, so dass die Gemeinde im Jahr 1900 auf 81 Personen in 17 Haushalten kam. 1925 zählte sie jedoch nur noch 50 Mitglieder. Der Großteil der jüdischen Bevölkerung lebte vom Handel, insbesondere dem Viehhandel.
Bereits seit dem Herbst 1933 terrorisierten radikale NS-Anhänger die jüdische Bevölkerung fast im wöchentlichen Abstand: Mit großer Brutalität warfen sie Fenster der jüdischen Wohnhäuser und der Synagoge ein, brachen in die Synagoge ein, entwendeten Ritualien, planten die Synagoge anzuzünden, störten massiv den Jom-Kippur-Gottesdienst. Sogar die Polizei vermutete dahinter organisiertes Handeln einer Gruppe mit dem Ziel, die Juden aus dem Ort zu vertreiben – doch die Täter wurden nie gefasst. Für die Juden wurde die Situation so bedrohlich, dass sie ihren Besitz verkauften und den Ort verließen. Sechs Menschen starben zuvor in Kleinwallstadt. 25 Personen flohen zwischen 1934 und 1938 direkt aus Kleinwallstadt ins Ausland: In die USA (15), die Niederlande (4, eine Frau später in die USA), nach Frankreich und Palästina (je 3). Die übrigen 16 jüdischen Bewohner:innen zogen in andere deutsche Städte, vor allem nach Frankfurt am Main (12). Die letzten sechs Jüdinnen und Juden verließen den Ort im Oktober 1938. Von ihren neuen Wohnorten gelang fünf bis sechs weiteren Menschen die Emigration, während zwei bis drei starben und sieben deportiert wurden.
Eine Frau, die zu Verwandten nach Thüngen und dann nach Würzburg gezogen war, wurde als einzige aus Unterfranken verschleppt. Sieben weitere Menschen ereilte dieses Schicksal an ihren neuen Wohnorten in Deutschland, niemand im Europäischen Ausland. Insgesamt sind in Kleinwallstadt also acht Opfer der Shoa zu beklagen, darunter ein Jugendlicher.
Kleinwallstadt beteiligt sich mit zwei Gepäckstücken am Projekt „DenkOrt Deportationen“. Das lokale Gepäckstück erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden des Ortes. Ein Duplikat befindet sich in Würzburg und bildet zusammen mit denen anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zum “DenkOrt” und zu den Deportationen.
Angaben zum Standort des DenkOrts in Kleinwallstadt folgen zu gegebener Zeit.
Ausführliche Informationen zur jüdischen Gemeinde Kleinwallstadt
Quellen zu den Gemeindeartikeln
© Recherche und Text: Nathalie Jäger & Rotraud Ries
Shoa-Opfer, die 1933 in Kleinwallstadt gelebt hatten
Elias Grünebaum (1855 – 1942)
Erna Grünebaum, geb. Kaufmann (1896 – 1941)
Manfred Kurt Grünebaum (1924 – 1941)
Richard Grünebaum (1884 – 1941)
Regine Oppenheimer (1875 – 1942)
Thekla Reis, geb. Goldstein (1884 – 1941/42)
Karolina Wahler, geb. Freimark (1892 – 1943)
Sigmund Wahler (1870 – 1942)