Jüdische Gemeinde Miltenberg
Im Jahr 1933 lebten in Miltenberg gut 100 jüdische Bürgerinnen und Bürger. Doch bereits gegen Ende des 13. Jahrhunderts hatte es eine jüdische Gemeinde gegeben. Sie konnte sich eine Synagoge mit gotischem Rippengewölbe erbauen. Bis ins 17. Jahrhundert war die Miltenberger Judenschaft wiederholt Vertreibungen ausgesetzt. Danach konsolidierte sich die Situation, im Jahr 1789 zählte man neun jüdische Haushalte. Über 16 Familien im Jahr 1817 stieg die Zahl der jüdischen Gemeindemitglieder bis auf 117 Personen im Jahr 1897 an. In der europäischen Synagogengeschichte ist die erhaltene mittelalterliche Synagoge eine Rarität. Doch sie wurde lange von einer Bierbrauerei genutzt und ist nicht öffentlich zugänglich.
Infolge der zunehmenden Repressionen durch das NS-Regime seit 1933 nahm die Anzahl der jüdischen Gemeindemitglieder durch Aus- und Abwanderung ab, wenige Menschen zogen zu. Nach den gewaltsamen Ausschreitungen und der Zerstörung jüdischer Einrichtungen während des Novemberpogroms 1938 verließen über 20 Gemeindemitglieder die Stadt. Insgesamt 42 Personen zogen seit 1933 in andere Orte in Deutschland, insbesondere nach Frankfurt a.M. (17), Würzburg (5) und München (2). Von dort gelang etwa der Hälfte von ihnen noch die Flucht ins Ausland. Im gleichen Zeitraum emigrierten insgesamt 43 jüdische Personen von Miltenberg in die USA (31), nach England (7), Palästina (2), Venezuela (2) und Uruguay (1). Sechs Mitglieder der Gemeinde verstarben, zwei davon an ihren neuen Wohnorten in Deutschland.
Von den letzten jüdischen Bürgerinnen und Bürgern Miltenbergs wurden acht im April 1942 über Würzburg nach Krasniczyn im besetzten Polen deportiert. Die letzte jüdische Bewohnerin Miltenbergs musste im August in ein Sammelquartier nach Aschaffenburg ziehen. Mit fünf weiteren Personen, die bereits in Würzburg wohnten, wurde sie im September 1942 nach Theresienstadt deportiert.
14 jüdische Bürgerinnen und Bürger, die 1933 in Miltenberg gelebt hatten, wurden also aus Unterfranken deportiert. Eine Frau überlebte. Mindestens 15 weitere Personen wurden von ihren neuen Wohnorten in Deutschland verschleppt. Die Zahl der Deportierten beläuft sich also insgesamt auf 29. Zu den Opfern der Shoa gehören aber auch zwei Frauen, von denen die eine Opfer eines Krankenmords wurde und die andere aus Verzweiflung Suizid beging. Sie hatte seit 1912 als evangelische Christin gelebt. Miltenberg hat damit 30 Opfer der Shoa aufzuweisen, darunter vier Kinder und Jugendliche.
Der Koffer in Miltenberg erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden des Ortes. Ein zweiter Koffer aus Miltenberg steht in Würzburg und bildet zusammen mit denen anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zu den jüdischen Gemeinden und zum “DenkOrt”.
Informationen zum Standort des Koffers in Miltenberg folgen zu gegebener Zeit.
Ausführlichere Informationen zur jüdischen Gemeinde Miltenberg
Quellen zu den Gemeindeartikeln
© JSZ, Recherche und Text: Nathalie Jäger & Rotraud Ries
Opfer der Shoa, die 1933 in Miltenberg gelebt hatten oder dort später geboren wurden
Flora Dahlheimer, geb. Kahn (1897 – 1942)
Martin Dahlheimer (1931 – 1944)
Wolfgang Dahlheimer (1889 – 1942)
Leo Dahlheimer (1885 – 1942)
Rosa Dahlheimer, geb. Solinger (1895 – 1940)
Rudolf Falk (1919 – 1942/1944)
Elias Fried (1875 – 1942)
Emilie Fried (1878 – 1942)
Hermann Fromm (1878 – 1942)
Abraham Heß (1895 – 1941/1942)
Bella Bertha Heß (1923 – 1941/1942)
Nanny Nathalie Heß (1896 – 1943)
Siegfried Sally Heß (1930 – 1941/1942)
Berta Heymann, geb. Dahlheimer (1884 – 1942/1945)
Leon Heymann (1883 – 1942/1945)
Berta Mannheimer, geb. Schloss (1875 – 1943)
Mira Marx (1894 – 1942)
Manfred Moritz (1921 – 1941/1944)
Oskar Moritz (1887 – 1942)
Rosa Moritz, geb. Königsberger (1892 – 1942)
Wilhelm Oppenheimer (1882 – 1941)
Ida Schmidt (1876 – 1941)
Erna Simons, geb. Fried (1906 – 1942)
Gerd Gustav Simons (1936 – 1942)
Otto Simons (1903 – 1942)
Adolf Stargardter (1881 – 1941/1942)
Frieda Stargardter, geb. Dahlheimer (1882 – 1941/1942)
Betty Weichsel (1907 – 1942/1943)
Ernestine Weichsel, geb. Halle (1877 – 1942/1943)
Julius Weichsel (1915 – 1942/1943)
Überlebende der Deportationen
Regina Halle (1875 – 1951)